Beschreibung
Im Physikunterricht erwarten die Schülerinnen und Schüler (SuS) vielfältige Herausforderungen. Einerseits gehören dazu der Aufbau prozeduralen Wissens wie das flexible Wechseln zwischen unterschiedlichen Repräsentationsformen (Diagrammen, Skizzen, Messwerttabellen und mathematischen Formeln) sowie der korrekte Umgang mit algebraischen Ausdrücken und numerischen Grössen (wie Proportionalitäten, Potenzen, Brüchen, signifikante Stellen, aber auch der sichere Umgang mit dem Taschenrechner). Leider steht im Physikunterricht nur sehr beschränkt Zeit zum Repetieren und Üben zur Verfügung. Zudem unterscheiden sich die Kompetenzniveaus der SuS stark. Wünschenswert ist daher das Schaffen effektiver, individualisierter und leistungsdifferenzierender Lernumgebungen mit sofortigem Feedback.
Andererseits sind in Physik Abstraktion, Modellbildung und Konzeptwandel zentral. Die SuS sollen lernen, im Speziellen einer konkreten Naturbeobachtung das für die Modellbildung wesentliche Abstrakte zu erkennen. Konfrontiert mit Erkenntnissen, welche mit ihren bisherigen (Fehl-)Vorstellungen konfligieren, sollen sie letztere idealerweise an moderne, wissenschaftliche Konzepte anpassen. Die Lehr-/Lernforschung zeigt, dass dies ein äusserst träger Prozess ist, der im konstruktivistischen Sinne von jeder SuS individuell aktiv bewältigt werden muss. Hier helfen geschickt entwickelte Aufgaben, welche inkrementellen Fortschritt ermöglichen und zum individuellen Üben motivieren.
Mit digitalen Mitteln konnten wir bereits Pilotprojekte zu den beiden genannten Aspekten umsetzen. Dafür nutzen wir auf der Lernplattform Moodle den Fragetyp Formulas und erstellen auf zufallsgenerierten Parametern basierende Aufgaben mit numerischem oder Multiple-Choice-Input. Beliebig viele solcher Aufgaben können zu Übungsserien, Lernkontrollen oder auch Prüfungen kombiniert werden. Die SuS können dann je nach Bedarf an wiederkehrenden Aufgaben ähnlicher Natur, aber unterschiedlicher Ausprägung, üben, bevor sie zur nächsten Aufgabe weitergehen. Darüber hinaus lassen sich in Formulas interaktive Grafiken mit der JavaScript-Bibliothek JSXGraph3 einbinden, was den Möglichkeitsraum auf zufällig erstellte und sogar manipulierbare Diagramme, Zeichnungen, Konstruktionen und Simulationen stark erweitert. Je nach Anwendung können die SuS zum Beispiel grafische Elemente «anfassen» und damit Simulationen beeinflussen oder nach gestellten Kriterien verändern, mit sofortigem Feedback zu ihrer Lösung.
Didaktisch-methodisches Konzept
Wir sehen, beobachten und erwarten im Wesentlichen drei Vorteile beim beschriebenen Einsatz digitaler Medien im Unterricht. Erstens können den SuS Aufgaben mit vielfältigen Eingabemethoden und sofortigem Feedback zu ihren Lösungen gestellt werden, was sich für eine ganze Klasse normalerweise praktisch nicht realisieren lässt. Dass die Aufgaben auf zufällig generierten Parametern basieren, bedeutet zweitens, dass die SuS einen Aufgabentyp beliebig oft wiederholen können, aber auch, dass sich die SuS im Lernprozess gerade nicht nur über Lösungswerte, sondern über Lösungswege austauschen. Die SuS können dabei selber ihr Voranschreiten steuern. Manchen helfen mehrere Wiederholungen und andere sehen sich angespornt, so schnell und weit wie möglich zu kommen. Beides fördert eine positive Wahrnehmung der Selbstwirksamkeit. Drittens erlaubt die automatische Korrektur der Aufgaben einer Lehrperson, ohne bedeutenden Mehraufwand, mehr Aufgaben für Assessments heranzuziehen und auf sich abzeichnende Schwierigkeiten individuell oder im Klassenverband einzugehen.