Buchzusammenfassung «Indistractable»


Unser Gehirn will sich ablenken lassen. Die Verhaltenspsychologie erklärt, was genau dahinter steckt und was man dagegen tun kann. Und niemand kann das besser erläutern, als Nir Eyal (Bestsellerautor von «Hooked») in seinem Buch «Die Kunst, sich nicht ablenken zu lassen».

Die Technologie ist nicht das Problem

Wir meinen, die (digitale) Technologie sei das Problem, weil sie süchtig machen könne. In seinem vorherigen Buch «Hooked» beschreibt Nir Eyal die Zusammenhänge ausführlich. Dennoch: Das Digitale ist nicht der Grund für unser Ablenkungs-Problem, sondern lediglich ein Symptom. Die wahren Ursachen liegen tiefer und stellt die grundsätzliche These auf, dass «Ablenkungssucht eine Bewältigungsstrategie» sei: «Die Betroffenen leiden unter psychologischen Schmerzen, und die Nutzung von (digitalen) Ablenkungen ist ihre Art, mit diesen Schmerzen umzugehen.»

Beispiele für psychologische Schmerzen: können im schulischen Kontext insbesondere Langeweile und das Fehlen von Kontrolle über das eigene Schicksal sein. Allgemein handelt es sich um unerfüllte Bedürfnisse, die sich nicht (unmittelbar) stillen lassen.

Es geht also um Psychologie – nicht um Technik

Eine mögliche Erklärung: Viele Jugendliche werden noch immer von Erwachsenen fremdbestimmt – Eltern, Lehrpersonen, Ausbildner. Es sind die Erwachsenen, die  Entscheidungen für sie treffen. Die Lernenden haben also keine Kontrolle darüber und das spürten sie gemäss Eyal in Form eines psychischen Schmerzes. Die Flucht in (digitale) Ablenkung stellt aus ihrer Sicht eine funktionierende Bewältigungsstrategie dar, denn dort finden sie das, was ihnen fehlt: die Möglichkeit, Kontrolle auszuüben. Wer diesem Gedanken zustimmt, erkennt:

Zeitmanagement ist Schmerzmanagement

Wenn wir Ablenkungen nutzen, um unsere Schmerzen zu lindern und wenn Ablenkungen uns unsere Zeit kosten, dann ist Zeitmanagement im Kern Schmerzmanagement. Wir müssen also lernen, besser mit unseren psychologischen Schmerzen umzugehen.

Psychologischen Schmerzen kann man mit der Acceptance and Commitment Therapy (ACT) begegnen. Also Schmerz zuzulassen und ihn bewusst mit Interesse zu erforschen, anstatt ihn zu ignorieren oder bewusst zu unterdrücken. Auf diese Weise lässt sich der Schmerz am schnellste zum Verschwinden bringen. Auf dieselbe Weise kann man mit dem Rauchen aufhören, eine Krankheit überwinden oder endlich sein Wunschgewicht erreichen.

Ein Beispiel dazu: Die App «Noom» führt mit kleinsten Schritten dauerhafte Veränderungen im Essverhalten ein statt Diätrezepte vorzuschlagen. Tiefenpsychologie statt Verzicht, Strategien gegen Trigger statt Verbote.

Wert-volle Zeit schützen

Schmerzen lassen sich am besten ertragen, wenn man Sinn erlebt und im Einklang mit unseren Werten leben. Statt dem Impuls nachzugeben, aufs Smartphone zu schauen, sollten wir uns lieber angewöhnen, immer noch 10 Minuten zu warten, bevor wir uns diesem Verlangen hingeben. Mit dieser 10-Minuten Regel trainieren das impulsive Verhalten ab.

Wir wissen es: Wer seine Zeit nicht plant, wird entweder von anderen verplant oder irrt planlos in seinen Pendenzen umher. Es gibt dazu ungezählt Tipps und Möglichkeiten, von einfachem Timeboxing bis zu komplexem Kanbansystemen. Wichtig ist nicht nur die Planung – und datürlich das Tun – sondern auch (wöchentliche) Reflexion, damit die Planung ständig optimiert werden kann.

Externe Auslöser und Trigger kontrollieren

Externe Auslöser wie zum Beispiel Push-Benachrichtigungen können fast so mächtig wie eine Fernsteuerung sein – sie können unser Verhalten zu grossen Teilen steuern. Es gilt, diese externen Auslöser aufzuspüren und nachzuspüren, was uns triggert und uns so zu organisieren, dass wir sie umgehen.

Kein Rezept aber eine Strategie: Pakte gegen Ablenkung

Wie wir Arbeits- und Lernunterbrechungen entgegenwirken können, besteht aus zwei Bestandteilen: Die Trigger erkennen und abwehren – also Nachrichten aus all den zahlreichen Kommunikationskanälen entgegenwirken – und einen «Pakt» gegen diese zu schliessen, eine alltagstaugliche Strategie entwickeln. Eine App wie «Forest» kann dieses Bemühen unterstützen, aber wie das ganz genau im Detail im Schul-, Lern-, Arbeits- resp. Unterrichtsalltag ausschauen soll, das muss jede:r für sich selbst herausfinden, umsetzen und ständig optimieren. Leider nein, da gibt es kein Rezept mit für alle und erst noch mit Gelinggarantie.

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Über Nir Eyal

Nir Eyal (Jahrgang 1980) ist ein US-amerikanischer Autor und Experte für Produktdesign. Sein erstes Buch Hooked* aus dem Jahr 2014 erlangte Bestseller-Status und wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Die Kunst, sich nicht ablenken zu lassen (Indistractable) ist sein zweites Buch.

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