Engagiert oder faul?
Von Douglas McGregor wurde in den 60er Jahren die X-Y Theorie aufgestellt.
Theorie X besagt, dass der Mensch grundsätzlich unwillig ist, eine Abneigung gegen Arbeit hat und ihr versucht aus dem Wege zu gehen wo irgendwie möglich.
Theorie Y besagt, dass der Mensch grundsätzlich engagiert ist. Für ihn hat die Arbeit einen hohen Stellenwert und ist eine wichtige Quelle der Zufriedenheit, denn er ist von Natur aus leistungsbereit und von innen aus motiviert.
Was stimmt nun?
Die Antwort auf diese Frage hilft uns zu entscheiden, welches Setting im Klassenzimmer für uns das richtige ist.
Strenge Kontrollen, wie sie nach der Theorie X nötig sind, führen zu einem passiven Arbeitsverhalten, einer geringen Übernahme von Verantwortung und geringem Engagement, was wiederum die strengen Kontrollen als Ansporn gerechtfertigt. Ein Teufelskreis.
Analog gilt für die Theorie Y, dass weitreichende Freiheit zu einem aktiven Arbeitsverhalten, Selbstbestimmung und Motivation führt, was wiederum eine grössere Verantwortungs–übernahme und Kreativität mit sich bringt und so zu mehr Engagement führt. Für unsere Unterrichts–gestaltung wichtig zu merken die Schemas oben und unten!
Als Lehrpersonen sind wir häufig im Teufelskreis der Theorie X gefangen. Da die Schüler aus unserer Sicht zu wenig Interesse und Engagement an unserem Fach zeigen, müssen wir mit Notendruck arbeiten und Arbeitskontrollen durchführen. Wie könnte man den Wechsel zur Theorie Y gestalten? Wir haben es ausprobiert und mittlerweile bei vielen Klassen erfolgreich angewendet: wir haben unseren Schülerinnen und Schüler zu verstehen gegeben, dass wir daran glauben, dass jeder von ihnen Stärken hat und wir ihnen anbieten möchten ihre Stärken auch zur Geltung zu bringen. Damit haben wir auch den Gedanken der Kollaboration stärken wollen und für sie auch einen Anreiz geschaffen, zusammen arbeiten zu wollen. (Natürlich bleiben gewisse Kompetenzen, die sie einzeln entwickeln sollen weiterhin wichtig. Für diesen Umstieg auf die Theorie Y haben wir den Fokus am Anfang bewusst auf die Kollaboration gesetzt).
Die Schüler*innen durften ihre Stärken selber einschätzen (wobei die Lehrperson hier auch andere Kompetenzen definieren kann, als oben im Bild vorgeschlagen). Mit farbigen Zettel für entsprechende Stärken (einen ganzen Zettel für 4-5 Sterne, einen halben Zettel für 3 Sterne) durften sie solange durch den Raum gehen, bis an allen Tischen möglichst alle Farben ausgewogen waren.
Plötzlich hatte jede Schülerin und jeder Schüler eine Aufgabe und einen Sinn. Sie fühlten sich bestärkt darin nun die Herausforderungen der Lektion gemeinsam besser meistern zu können und machten sich gleich an die Arbeit! 😊 Doch für uns Lehrpersonen hiess es plötzlich: keiner brauchte uns. Sie hatten einander, sie hatten den Computer auf dem sie unserem vorgeschlagenen Lernweg folgen konnten. Haben wir uns nun wegdigitalisiert?
Es ist ein schönes Gefühl zu glauben, man sei unersetzlich, die Quelle des Wissens und dass sie ohne mich nicht lernen können. Und dieses Gefühl haben wir bewusst aufgegeben.
Wir brauchen junge Menschen, die gelernt haben, dass sie sich neue Materie selber aneignen können, die Strategien entwickeln, wie sie vorgehen, wenn sie nicht weiterkommen, und wissen, wann sie einen Experten oder Expertin fragen müssen.
Es ist gut dass sie uns irgendwann nicht mehr brauchen.